Autor: Ulrich Hirsch, Chemielehrer und Oberstufenkoordinator a.D. am Oldenburg-Kolleg, E-Mail: hirsch.u@web.de
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Die Gleichgewichtsreaktion zw. Phenolphthalein und Natronlauge
3. Das Sack-Modell
4. Simulation der Reaktion mit MS-Excel
5. Die Unterrichtssequenz
6. Literatur
1. Einleitung
Das Prinzip des chemischen Gleichgewiches ist für die Chemie von zentraler Bedeutung. Es erhöht das Verständins z.B. bei elektrochmischen Prozessen, bei Redoxgleichgewichten und großtechnischen Prozessen. Weiterhin zeigt es nachhalig die notwendige Zweigleisigkeit eines Chemieunterrichts in Hinblick auf die Vorgänge einer Reaktion im Kontinuum und die Modellverstellungen im Diskontinuum.
Diese Zweigleisigkeit muss bei der Erarbeitung des chemischen Gleichgewichtes der Lerngruppe deutlich werden. Auf der einen Seite muss die Schülerschaft zur Erarbeitng des Prinzips des chemischen Gleichgewichtes Vorgänge im Kontinuum (Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtslage, Hin- und Rückreaktion führen zum selben Gleichgewichtszustand, dem scheinbar sichtbaren Endpunkt der Reaktion) erkennen. Auf der anderen Seite muss sie sich Vorgänge im Diskontinuum (Geschwindigkeiten der Hin- und Rückreaktion sich im Gleichgewichtszustand gleich, keine Ende der Reaktion usw.) verdeutlichen, um das Prinzip des chemischen Gleichgewichtes vollständig zu durchdringen.
In meiner Arbeit zum 2.Staatsexamen am Seminar in Hamm habe ich mich 1985 zum erstenmal intensiv mit der Unterrichtseinheit „Chemisches Gleichgewicht“ befaßt. und folgende Forderungen bzgl. der Unterrichtseinheit „Einführung in das chemische Gleichgewicht“ aufgestellt, vgl. Lit.1:
a) | Die Hin- und Rückreaktion sollten experimentell in der Schule möglich und die Gleichgewichtseinstellung sichtbar sein. |
b) | Temperaturänderungen sollten im Experiment sichtbar werden. |
c) | Das Modell sollte in Analogie zur betrachteten Reaktion stehen und vor allem die Dynamik des Gleichgewichtes verdeutlichen. |
d) | Das Modell soll einfach zu handhaben, für die Unterrichtsgruppe zugänglich sein kostengünsig sein. |
Bei einem Vergleich der angebotenen Experimente und Modelle zum Thema „Chemisches Gleichgewicht“ fiel meine Wahl damals auf das Phenolphptalein-Natronlauge-Gleichgewicht und auf das SACK-Modell, vgl. Lit.2.
Die Schulbuchliteratur heute unterscheidet sich in Sachen „Versuch“ zur damaligen Literatur nicht wesentlich. In Sachen „Modell“ und „Modellbildung“ greife ich seit zwei Jahren auf die Tabellenkalkulation MS-Excel zurück, mit der dieser Versuch sehr anschaulich und zeitsparend simuliert werden kann.
Diese Zweigleisikeit „Versuch“ und „Simulation mit MS-Excel“ möchte ich in dieser Unterrichtseinheit in einen Grundkurs 13.1 des Oldenburg-Kollegs in Oldenburg vorstellen.
2. Die Gleichgewichtsreaktion zw. Phenolphthalein und Natronlauge
Die Versuchsvorschriften im einzelnen:
Entfärbung (Versuch A) | Rückfärbung (Versuch B) |
190 ml Wasser 0,8 ml 0,01M Phenolphthaleinlösung 2 Tropfen 2M Natronlauge |
10 ml 2M Natronlauge 0,8ml 0,01M Phenolphthleinlösung |
Reaktionsstart: + 10ml 2M Natronlauge |
Reaktionsstart: + 190 ml Wasser |
In beiden Versuchen entsteht eine rosa gefärbte Lösung.
Das Gleichgewicht zwischen der chinoiden und der carbinolen Form von Phenolphthalein berucht hauptsächlich auf der Mesomeriestabilität der chinoiden Form. Es bedarf daher einer hohen Hydroxid-Konzentration, um in einer Art nuclephiler Addition das neutrale C-Atom der chinoiden (roten) Form anzugreifen:
Grafik 1: Phenophthalein-Natronlauge-Gleichgewicht
Diese Gleichgewichtsreaktion ist sehr temperaturabhängig. Bei 500C ist die Lösung rot-violett, bei Raumtemperatur schwach rosa. Weiterhin wird durch eine Temperaturerhöhung die endotherme Rückreaktion schleunigt, so dass sich der Gleichgewichtszustand bei 500C schon nach ca. 5min, bei Raumtemperatur erst nach ca. 20min einstellt.
3. Das Sack-Modell
Beim SACK-Modell (Simulation und Analyse Chemischer Kinetiken), vgl. Lit.2, werden Atome, Moleküle oder Ionen durch farbige Holzkugeln (rot, gelb, blau) und die Reaktionsschemen durch reaktionsspezifische Spielregeln realisiert.
Für die vorgestellte Reaktion, vgl. Grafik 1, sind u.a. folgende Modellreaktionen zu Spielbeginn, vgl. Kap. 5, denkbar:
a) rot + blau –> gelb
b) rot –> gelb
Die Modellreaktion b) ist unter der Annahme, dass die Konzentration an Natriumhydroxid gegenüber der Konzentration an Phenolphthalein sehr groß ist, sinnvoll. Sie vereinfacht die SACK-Simulation, aber auch die Simulation mit MS-Excel.
4. Simulation der Reaktion mit MS-Excel
Die Simulation des Phenolphthalein-Natronlauge-Gleichgewichtes mit Hilfe des Austausches „rot <->gelb“ wurde von mir in VisualBasic als MS-Excel-Arbeitsblatt implementiert. Die Algorithmen der verschiedenen Subroutinen möchte ich hier nicht vorstellen, ich erläutere sie nicht im Unterricht. Das MS-Excel-Arbeitsblatt wurde im Unterricht als „BlackBox“ genutzt. Ich bin gerne bereit, Fragen zu den Algorithmen per E-Mail zu beantworten.
Die Simulation besteht aus drei Arbeitsblättern, die in der Datei „CHGL01.XLS“ zusammengefaßt sind:
Erläuterungen | Erläuterungen zur Siumlation |
Chem.Gl.-Berech. | Visualisierung der gewünschten Simulation |
Reaktionsablauf-Diagramm | Diagramm einer Simulation: Funktionaler Zusammenhang zwischen Simulationsdauer und Teilchenanzahlen“ |
Erläuterungen zum Arbeitsblatt „Chem.Gl.-Berech.“:
Die Kugelanzahlen pro Kugelsorte (rot oder gelb) werden in den Zellen B6 bzw. B7 eingegeben.
Zur Zeit beträgt die maximale Gesamtkugelanzahl: 240 (vgl. Zelle B8).
Beide Kugelanzahlen müssen durch 20 teilbar sein.
Die Eingaben in den Zellen D7 und D8 simulieren die Reaktionsgeschwindigkeit der Hin- (Austausch einer roten Kugel) und der Rückreaktion (Austausch einer gelben Kugel).
Geben Sie hier bitte natürliche Zahlen ein.
Je größer die Zahl, desto höher ist die Reaktionsgeschwindigkeit der betreffenden Reaktion.
Nach der Eingabe der Kugelanzahlen (Teilchenanzahlen) und der Austauschwahrscheinlichkeiten muss zunächst der Anfangszustand der Simulation hergestellt werden. Dies geschieht durch die Aktivierung des Buttoms „Einfärben“.
Die Simulation (Reaktion) läuft intervallweise ab, d.h. es werden durch den Buttom „Reaktion“ immer n Simulationen durchgeführt. Die Anzahl der Reaktionen pro Intervall kann in Zelle B11 eingegeben werden.
Das Ergebnis einer Simulation wird in den Zellen B15 und B16.
Mit der Aktivierung des Buttoms „Reaktionsverlauf“ werden 10 Simulationen gestartet und der Simulationsverlauf wird tabelliert und graphisch dargestellt, vgl. Arbeitsblatt „Reaktionsablauf-Diagramm“.
Die Arbeit mit dem Simulationsprogramm möchte im Kapitel „5. Unterrichtssequenz“ vorstellen.
Falls Interesse an der Simulation besteht, schicken Sie mir bitte eine E-Mail.
5. Die Unterrichtssequenz
Vor der Unterrichtssequenz „Einführung in das chem. Gleichgewicht“ wurde u.a. die Themen „exergonische und endergonische Reaktionen“ und „Reaktionsgeschwindigkeit“ thematisiert.
Vorversuche mit Zink und Salzsäure in offenen und geschlossenen Systemen liefern die Problemstellung der Unterrichtseinheit „Chem. Gleichgewicht“:
Wann hat eine spontane chemische Reaktion in einem geschlossenen System ihren Endpunkt erreicht?
Das Phenolphthalein-Natronlauge-Gleichgewicht wird vorgestellt:
0,8ml 0,01M Phenolphthleinlösung, 3 Tropfen 2M Natronlauge (rote Lösung) werden mit 10 ml 2M Natronlauge versetzt. Eine Diskussion vor der Versuchsdurchführung über die Versuchsbeobachtungen und der Versuch selbst führen zu einer (fast) klaren Lösung.
Der Versuchsaufbau wird verändert, d.h. der Versuch „Entfärbung, Versuch A“ und die erwarteten Beobachtungen wurden mit der Schülergruppe erarbeitet und diskutiert. Die Schülergruppe erwartete hier ebenfalls eine Entfärbung aufgrund des hohen Konzentrationsunterschiedes zwischen den beteiligten Chemikalien. Vor der Versuchsdurchführung wurde folgendes Modell aufgestellt. Hier ist die Zwischenstufe „SACK-Modell“ sehr hilfreich.
Reaktion: | SACK-Modell | Simulation |
Ph2--Ionen-Konzentration | Anzahl „rote Kugeln“ | Anzahl „rote Flächen“ |
OH–-Ionen-Konzentration | Im Modell werden diese Teilchen nicht simuliert aufgrund der hohen konstanten Konzentration | analog |
PhOH3--Ionen-Konzentration | Anzahl „gelbe Kugeln“ | Anzahl „gelbe Flächen“ |
Entfärbungsreaktion | Austausch „rote Kugel –> gelbe Kugel“ | Rückgeschwindigkeit=0 |
Das Simulationsprogramm wird vorgestellt, der Versuch „Entfärbung“ gestartet und dann die Entfärbungsreaktion simuliert. Man erhält folgende Versuchs- und Simlationsergebnisse:
Diese Diskrepanz zwischen den Versuchsbeobachtungen und dem Simulationsergebnis führt zu einem neuen Versuch und zu einer Erweiterung der Simulation.
So schlagen die Schüler hier eine Temperaturerhöhung zur Beschleunigung der Reaktion oder sie formulieren die Rückfärbung (Rückreaktion) als Lösungsmöglichkeit. Die Temperaturerhöhung intensiviert die Färbung, vgl. Bild 3. Dies ist für die Schülerschaft irritierend. Spätenstens nun kann die Rückfärbung formuliert werden.
Versuch B wird durchgeführt und die Simulation um die Rückfärbung erweitert. Hierzu wird die Rückgeschwindigkeit auf „1“ gesetzt:
Nun kann das chemische Gleichgewicht mit seinen vielschichtigen Eigenschaften erarbeitet werden. Die Aktivierung des Reaktionslaufs ermöglicht die Erarbeitung des Massenwirkungsgesetzes über die Zuordnung „Anzahl der Kugeln – Konzentration“.
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Die Temperaturerhöhung kann nach der Erarbeitung des Zusammenhangs „Die Temperaturerhöhung begünstigt die endotherme Teilreaktion.“ auch entsprechend simuliert und so die Temperaturabhängigkeit der Massenwirkungskonstante hergeleitet werden:
6. Literatur
1 | Hirsch, U., Die Einführung des chem. Gleichgewichtes mit Hilfe von Kugelspielen …, Hausarbeit zum 2.Staatsexamen, Studienseminar Hamm, 1985 |
2 | Harsch, G., Statistische Kugelspiele als einfache und leistungsfähige Modelle zur Simulation und Analyse der chemischen Kinetik, in: Chem. Exp. Technol. 3, 273, (1977) |